Bericht Challenge Roth 5.9.2021

von Lars Karow; Fotos: Marathon Fotos

Mein erster Bericht, meine erste Langdistanz

Der Weg zu meinem ersten Lang-Distanz-Triathlon war deutlich länger als erwartet. Im Juli 2019 fuhr ich kurz entschlossen nach Roth, um erste Eindrücke dieses besonderen Triathlons in Deutschland zu sammeln und mich im Anschluss für den Wettkampf 2020 anzumelden. Auch wenn die Schlange am Montag in Roth sehr lang war, hat es für einen Startplatz als Einzelstarter problemlos gereicht. Endlich hatte ich die Karte mit den Anmeldedetails in der Hand und musste mich nur noch etwas vorbereiten. Geplant war mein Training nicht im Detail – ich wollte bereits im Winter mit dem Rollentraining beginnen und dann die erste Woche beim SISU Trainingslager auf Mallorca nutzen, um etwas längere Strecken mit dem Rennrad zu absolvieren. Vor dem Laufen hatte ich keine großen Bedenken, nach einigen erfolgreichen Marathons. Beim Schwimmen gab es nur eine Vorgabe: ins Ziel kommen. Mit Neo als Auftriebshilfe und im Kanal erschien mir auch dies machbar.

Bis zum Sisu Trainingslager lief dieser Plan auch perfekt. Ich war ein paarmal Laufen, trainierte auf der Rolle, und schwamm mindestens einmal pro Woche beim Sisu Vereinstraining. Eine Dienstreise nach Indien mit direkt anschließendem Ski-Urlaub waren für meinen Fitnesslevel nicht optimal, trotzdem absolvierte ich meine allererste 100 km-Fahrt im Februar natürlich auf der Rolle und via Zwift. Meine Hoffnung, beim Trainingslager nicht völlig unterzugehen, stieg sehr deutlich. Ausschließlich im Windschatten (@Danny und @Micha: Vielen Dank!) überstand ich die erste Woche einigermaßen gut und bin mit einem der letzten "regulären" Flieger zurück nach Berlin in den beginnenden Corona-Lockdown geflogen. Die Absage für die Challenge 2020 erfolgte bereits Ende März und passte gut zu meinem unregelmäßigen Training. Trotz Corona verging die Zeit bis zum ursprünglichen Starttermin recht schnell. Vermutlich hätte die verbliebene Trainingszeit für eine erfolgreiche Teilnahme nicht mehr gereicht. Mein Entschluss stand fest: "Ich brauche einen Trainer, der mir einen Trainingsplan für die Challenge Roth 2021 erstellt!"

Ein erstes Gespräch war super, leider fand noch keine Trainingsplanung statt. Ich fuhr wieder mehr Fahrrad, lief regelmäßiger und nahm einmal pro Woche beim Vereinsschwimmen teil. Plötzlich war der Oktober fast vorbei, ich hatte noch keinen Trainingsplan und bekam keine Antwort von meinem geplanten Trainer in Berlin. Eine Alternative war nötig und Mitte November erstellte mir Anke von myGoal endlichen meinen "Online"-Trainingsplan nach einem ausführlichen Telefongespräch. Als Ziele hatte ich ihr mitgeben: durchkommen, unter 12 h wäre schön und als Traumzeit irgendwas um 11 h. Neben den Rad- und Laufeinheiten enthielt dieser leider auch einige Einheiten mit Kraft-/Stabitraining und etwas Trockenschwimmen, da die Schwimmbäder coronabedingt wieder geschlossen waren. Auch wenn die Einheiten nicht sehr lang waren, musste ich mich an die Regelmäßigkeit und den Zeitaufwand gewöhnen. Das Rollentraining fand ich immer anspruchsvoller als die Laufeinheiten, aber das war alles besser als Kraft-/Stabitraining. Ein paar längere Rolleneinheiten waren ein schwacher Ersatz für das ausgefallene Trainingslager 2021 auf Mallorca. An Schwimmen war noch immer nicht zu denken, dafür wurde der Renntermin für Roth um zwei Monate auf den 5. September 2021 verschoben.

Mit meinem Chef hatte ich bereits abgesprochen, dass ich mir die letzten drei Monate vor dem Triathlon mittwochs immer frei nehme (@Ingo: Vielen Dank für den guten Tipp!). Damit begann meine intensive Trainingsvorbereitung ab Juni 2021. Die Lauf- und Radeinheiten wurden länger und boten mir gute Möglichkeiten, meine Ernährung für den Wettkampf zu testen. Recht schnell stellte ich fest, dass ich Hydro-Gels mit Iso am besten vertrage. Da für Roth nur ein einziges Hydro-Gel angegeben war, verbrachte ich die langen Radeinheiten mit einer Flasche Iso und zwei Mojitos pro Stunde.

Mit Neo-Handschuhen und -Schuhen war es problemlos möglich, ein paar Schwimmzüge bereits im Mai im Schlachtensee und sogar in der Ostsee zu unternehmen. Auch das Vereinstraining startete via Doodle-Liste endlich. Trotzdem dauerte es viele Wochen, bis ich mich einigermaßen wohl im Wasser fühlte. Ich beschloss, nach dem ich von einem Vereinsschwimmtraining völlig ausgepowert zu Hause angekommen war, nur noch unabhängig im Schwimmbad oder Freiwasser passend für Roth zu trainieren.

Zwei Wochen vor dem Wettkampf hatte ich eine lange Koppeleinheit (150 km Rad, 30 km Laufen) und war zwei Tage später noch einmal 2,5 km im Schlachtensee geschwommen. Ich war mir sicher, dass ich es ins Ziel schaffen würde, und spielte immer intensiver mit meinen möglichen Wettkampfzeiten. Dabei fiel mir auch die Radstrecke auf. Leider war die GPS-Karte nur für die Originalstrecke verfügbar, für 2021 wurde aber eine angepasste Corona-Strecke (ohne Solarer Berg) gewählt. Ich plante die Strecke in Komoot nach der Übersichtskarte nach und kam auf nur 167 km Streckenlänge. Damit waren die 11 h schon nicht mehr völlig ausgeschlossen und wenn alles optimal laufen sollte, wären vielleicht sogar 10:30 h möglich. Den Bericht im Tri-Magazin zur Radzeit bei der Langdistanz hatte ich zwar gelesen, mir aber nur gemerkt, dass 10 Watt zu viel beim Radfahren bereits zu einem deutlichen Einbruch beim Laufen führen kann und die Lauf-Pace maximal 10-20 sec schneller als der GA1 Pace sein sollte. Achja, die ersten 10 Laufkilometer sollte man deutlich "bremsen" und frühestens ab km 25 mehr Geschwindigkeit aufnehmen. So viel zumindest zur Theorie.

Am Donnerstag vor dem Wettkampf fuhr ich nach Roth und nutzte gleich die Anfahrt, um ein paar km der Radstrecke mit dem Auto abzufahren. Ich schlenderte über die Messe, holte meine Startunterlagen ab und versuchte, noch ein paar Hydro-Gels ohne Koffein zu bekommen – erfolglos. Also blieb ich bei meiner Strategie, mich mit zwei Mojitos pro Stunde zu ernähren. Freitag früh schwamm ich eine Runde im Kanal. Das Wasser war angenehm kühl und sehr ruhig. Ich fühlte mich wohl, und die Orientierung im Wasser war kein Problem. Beim Umkleiden entdeckte ich ein Sisu-Outfit: Matthias. Nach einem kurzen Gespräch trennten sich unsere Wege, ich wollte den Anstieg und die Abfahrt nach dem südlichsten Punkt der Strecke bei Greding mit dem Rad einmal vor dem Rennen abfahren. Verglichen mit meinen Trainingsstrecken im Berliner Umland war dieser Teil der Strecke deutlich anspruchsvoller und welliger als erwartet. Ich entspannte mich noch etwas und wartete auf meine Frau, die mit der Bahn trotz Bahnstreik anreiste. Nach einem ruhigen Frühstück in der Altstadt von Neumarkt und einem letzten Radcheck ging es am Samstag nach Hilpoltstein zum Rad-Checkin. Ich prägte mir die Strecke vom Wechselzelt zu meinem Fahrrad ein und kam völlig durchgeschwitzt aus der Wechselzone. Kein Schatten und die steigenden Temperaturen waren deutlich merkbar. Radtrikot und Ärmlinge packte ich zwar noch in meinen Wechselbeutel, aber nur für den Fall, dass es noch einen gewaltigen unangekündigten Wetterumschwung geben sollte. Auf dem Rückweg von Hilpoltstein ins Hotel entdecke ich noch einige "scharfe" Kurven und etliche kleine und größere Hügel auf der Radstrecke. Meine Anspannung und Nervosität stieg weiter, und ich frage mich, welchen Einfluss diese Steigungen wohl auf meine Radzeit haben würden.

Da die Wechselbeutel spätestens um 06:45Uhr am Sonntag abgegeben werden sollten, stand mein Wecker auf 4:45 Uhr. Obwohl ich um 21:30 im Bett lag, bekam ich nicht viele Stunden Schlaf. Meine Aufregung war viel zu groß. Vier Scheiben Toastbrot mit Honig sind zwar kein Sportlerfrühstück, aber eine optimale Vorbereitung für meinen Magen.

Mit kleinen Checklisten fürs Rad und den Beutel brachte ich etwas Ruhe in meine Vorbereitung vor dem Schwimmstart. Die Minuten bis zum Start waren recht lang, zum Glück entdeckte mich Florian bei meinem Fahrrad und im Gespräch verging die Zeit viel angenehmer. Alles lief wie erwartet. Ich verspeiste noch eine Scheibe trockenes Toastbrot, schob einen Energie-Riegel in mich rein und lief langsam zum Vorstartbereich. Von dort beobachtete ich die ersten Schwimmer auf ihrer Rückstrecke und durfte mich mit meinem Startblock aufstellen. Als einer der letzten ging ich ins Wasser, füllte meinen Neo und schwamm Richtung Startleine, hielt mich aber ganz weit hinten. Ich wollte ruhig und entspannt schwimmen. Der Startschuss ertönte.

Obwohl ich weit hinten war und kaum Schwimmer um mich herum hatte, war das Wasser aufgewühlt, und es schwamm sich unangenehmer als erwartet. Plötzlich schoss jemand schon fast im 45°-Winkel in mich rein bzw. vor mir vorbei. Schwamm ich so schlecht? Ich war verunsichert. Ein paar Züge Brust zeigten mir aber, dass ich parallel zum Ufer und zu den meisten anderen Schwimmern schwamm und der 45°-Schwimmer eher Richtung Ziel kreuzte. Er schwamm im Wasser definitiv schneller als ich, bei der zurückgelegten Wettkampfstrecke bestand kein wirklicher Unterschied, so dass ich noch ein paarmal mit ihm Bekanntschaft machte. Einen guten Rhythmus hatte ich noch nicht gefunden, und das aufgewühlte Wasser beruhigte mich nicht. Ich schwamm etliche Züge Brust, um das Umfeld und die Lage zu sondieren und mich zu beruhigen. Es wurde besser und endlich kam ich in meinen Flow. Die Garmin zeigte alle 500 m meine absolute Traumzeit unter 10 min! Besser ging es eigentlich nicht. Die erste Wendeboje lag knapp vor mir und war trotzdem recht weit weg. Ich war an der Außenseite des Kanals. Das war schlecht geplant. Aber ich hatte ausreichend Platz und keinen Stress. Wenig später überholte ich die noch langsameren Schwimmer aus den vorderen Startblöcken, und die schnellen Schwimmer aus den hinteren Blöcken schlossen auf. Es wurde wieder voller. Meine Schwimmzeit lag weiterhin bei ca. 10 min pro 500 m. Damit war ich super zufrieden und zog für die zweite Wende deutlich früher in die Mitte des Kanals. Der Ausstieg kam in Sicht, ich zog noch ein paar Mal meine Fußspitzen an, um Krämpfe zu vermeiden und nahm die Hilfe beim Ausstieg dankend an. Beutel greifen, Neo aus, Socken und Radschuhe an. Dank des Helfers und sitzend auf einer Bank ist das alles entspannt. Raus zum Fahrrad, da hörte ich meine Namen und drehte mich etwas verdutzt um. Kata hatte Zugang zur Wechselzone, feuerte mich an und machte Fotos. Perfekt. Startnummer um, Helm auf, Rad nehmen und raus auf den Asphalt. Ab der weißen Linie durfte man fahren. Etwas ungewohnt, aber ein sehr schneller Radstart.

Ein paar aufblitzende Glassplitter auf dem Weg über die Schleuse Eckersmühlen brachten mir zwar eine Schrecksekunde, aber keine Panne ein. Obwohl meine Lenkerflasche noch komplett voll war, nahm ich wenig später am ersten Versorgungspunkt eine Iso-Flasche mit und ärgerte mich unverzüglich über das unnütze Gewicht. Einen Energie-Riegel hatte ich auch noch eingesammelt und verspeiste diesen langsam. Ich fühlte mich gut und auch die Puls-/Wattwerte passten. Trotzdem rollte es nicht richtig gut nach ca. 30 km. Vielleicht hatte ich doch ein kleines Loch. Also versuchte ich den Auflagepunkt des Hinterrades anzusehen, ohne den Auflieger zu verlassen. Nach dem zweiten Versuch war die Leitplanke verdammt dicht und mein Vorderrad nur wenige mm von der recht hohen Asphaltkante entfernt. Irgendwie habe ich es mit Schreckensschrei und ohne Sturz geschafft auf dem Asphalt zu bleiben. Ich war wieder hellwach und stellte fest, dass die Straße leicht anstieg. Das hätte ganz anders ausgehen können. Es ging weiter und am Anstieg in Greding entdeckte ich meine Frau und kam mit der Extra-Anfeuerung gut durch. Die Versorgung mit Iso-Flaschen lief super, ich bin nur einmal ganz wenige km mit leerer Flasche unterwegs gewesen. An der zweiten und einigen folgenden Versorgungsstationen habe ich nach Hydro-Gel gefragt und versucht immer die grünen Gels zu greifen, aber völlig erfolglos. Es war kein Mojito-Gel dabei. Dafür hatte ich ein schrecklich schmeckendes „Chocolat“ erwischt. Weder Wegwerfen (Abwurfzone verlassen) noch verstauen (alles hätte unendlich geklebt) waren eine Option. Also runter mit dem Zeug und mit ausreichend Iso nachspülen. Zumindest die restlichen Gels schmeckten besser, und der Ernährungsplan ließ sich auch mit normalen Gels gut einhalten.

Meine Beine machten sich zeitgleich mit den ersten Anstiegen der zweiten Runde bemerkbar. Jede Welle und Erhöhung spürte ich, deutlich langsamer fühlte ich mich aber nicht. Trotz erneuter Anfeuerung durch meine Frau war der Anstieg bei Greding diesmal länger und zäher, dafür war die anschließende Abfahrt etwas leerer und ich konnte besser meine Linie mit weniger Bremseinsatz fahren. Zumindest war dies mein Gefühl, tatsächlich war ich wohl ein paar Sekunden langsamer. Für die Gesamtzeit war es völlig irrelevant, für meine Motivation auf den noch folgenden Kilometern aber sehr wichtig. So langsam fing ich an, meine Radzeit abzuschätzen. 5:10 h erschienen mir möglich und somit wäre ich an einer Schwimm-/Radzeit von ca. 6:30 h dran. Also Geschwindigkeit halten und einfach weiterfahren.

Da ich mir die zweite Wechselzone nicht angesehen hatte, machte ich mir etwas Sorgen, den Radabstiegspunkt zu verpassen und evtl. disqualifiziert zu werden. Das war völlig ausgeschlossen. Auf der Linie standen so viele Helfer, die nach meinem Rad griffen, da gab es keine Möglichkeit über die Linie zu fahren. Wenige Sekunden später war ich völlig verdutzt, als mir jemand meinen passenden Wechselbeutel in die Hand drückte. Das ging alles extrem schnell und ohne Suchen. Beinahe wäre ich mit Helm aus dem Wechselzeit gelaufen, die Schuhe waren schon gewechselt und die 0,5 l Iso hatte ich bereits in der Hand. Helm ab, in den Beutel und die letzte Einheit begann. Das Laufen fühlte sich gut und schnell an. Ein Blick auf die Pace hat das auch sofort bestätigt. So schnell wollte ich nicht laufen, also etwas vom Gas und mal einen kurzen Statuscheck. Beim Radfahren hatte ich mir vorgenommen, falls ich mit unter 6:30 h auf die Laufstrecke starten sollte, alles zu riskieren und einen 5min Pace zu laufen. Mit welcher Zeit war ich auf die Laufstrecke gekommen? Die Uhr zeigte eine Gesamtzeit von 6:37 h, aber auch eine Laufzeit von 10 min. Ich war mit unter 6:30 h ins Laufen gestartet. Ich rechnete permanent wie viele Minuten ich beim Anstieg nach Büchenbach verlieren dürfte und ob ich meine Pace vielleicht noch etwas erhöhen sollte. Durch die Versorgungsstationen lief ich nur durch und schnappte mir einen oder zwei Becher Wasser zur Kühlung. Leider wurden noch immer keine Hydro-Gels angeboten, und ich hoffte auf den nächsten Versorgungspunkt.

Ich lief weiter am Kanal Richtung Schleuse Eckersmühlen und hörte hinter mir einen Läufer mit jedem Schritt hart in den Schotter rutschen. Wann überholt der mich endlich? Erst jetzt fiel mir auf, dass wir Gegenwind hatten. Ein kurzer Blick auf die Garmin (Puls viel zu hoch!), ein halber Schritt nach rechts, deutlich Geschwindigkeit rausnehmen und schon hatte ich Windschatten. Jetzt störte mich das Rutschgeräusch auf dem Schotter durch meinen Windschattenspender nicht mehr. Meine Pace blieb gleich, der Puls sank deutlich. Perfekt. Beim nächsten Versorgungspunkt stoppte mein Windschattenspender, aber die Wende war nicht mehr weit und dann würde es mit Rückenwind zurückgehen. Wieder rechnete ich: vielleicht sollte ich noch etwas Zeit für den Anstieg nach Büchenbach gutmachen? Ich versuchte, mit leichtem Rückenwind die Pace auf 4:55 zu bringen. 10 km, ein Viertel des Marathons bereits geschafft und ich träumte von einer Sub-10h Zeit. Fürs Laufen hatte ich mir mindestens ein Hydro-Gel pro 10 km und 0,5 l Iso vorgenommen. Meine Flasche in der Hand war noch halbvoll, ein Hydro-Gel hatte ich noch nicht bekommen, aber egal, ich lag ja super mit Sub-10 h im Rennen. Der Anstieg machte mir etwas Sorgen, aber mit mind. 3 Minuten Reserve wären das noch mehr als 30 sec pro km selbst bei 5 km Anstieg. Das war locker zu schaffen. Was soll da noch passieren?

Langsam tauchte der Kran vom Hafen auf und die Sonne wurde kräftiger. An den Versorgungspunkten nahm ich mehrere Becher Wasser im Vorbeilaufen mit. Einige zum Kühlen und wenigstens einen zum Trinken. Die Strecke zog sich in die Länge. Wann kommt wohl der Wendepunkt? Ich schaute auf ein Schild in die Rückrichtung 22km und auf meine Uhr. Das waren noch mehr als 7 km; überschlagsmäßig knapp 20 min bis zur Wende. Hui, ganz schön viel Sonne und ganz schön anstrengend, auf dem Schotter zu laufen. Egal, der nächste Versorgungspunkt kam, ich kühlte und trank etwas. Zwischendurch nippte ich hin und wieder an der Iso-Flasche. Das Laufen war nicht mehr wirklich locker, die km-Durchgangszeiten rutschten nun überhaupt nicht mehr unter 5 min. Am letzten Versorgungspunkt vor der Wende schnappte ich mir ein Gel. Es war ein Normales, egal. Es gab kurz nach der Wende wieder Wasser, um das Zeug runterzuspülen. Der Gegenwind war jetzt gefühlt deutlich stärker als auf dem ersten Stück in diese Richtung. Ein schnellerer Läufer zog vorbei, ich nahm die Chance und ließ mich ein paar hundert Meter bis zu einem Staffelläufer mitziehen, der mir auf den letzten paar km etwas entwichen war. An dem wollte ich dranbleiben und den Windschatten nutzen. Meine Kraft in den Beinen reichte nicht mehr für eine 4:55 Pace. Das war nicht zu schaffen, und mir dämmerte, dass ich den zweiten Halbmarathon ganz sicher nicht mit 1:45 h laufen würde. Der Sub-10h-Traum war zu Ende. 2 h bzw. 5:40er Pace war das neue Ziel für die zweite Hälfte.

Vielleicht würde es mit weniger Gewicht wieder besser laufen? Ich steuerte einen Baum an, aber der Reißverschluss im Race-Einteiler ist einfach zu kurz für eine schnelle Pinkelpause am Baum. Also unverrichteter Dinge wieder zurück auf die Laufstrecke und jeden Versorgungspunkt zum Kühlen und für einen Schluck Wasser nutzen. Meine Frau hatte mich bereits beim Weg zum Kanal angefeuert und überholte mich jetzt mit dem Fahrrad auf dem Weg in Richtung Roth. Mit viel Optimismus nannte ich ihr eine geplante Zielzeit von 10:15 h. Mehr Kommunikation war mit mir gerade nicht anzufangen. Obwohl es irgendwann mal etwas bergab ging, hatte ich nur den Rückweg mit leichtem Anstieg im Kopf. Ein Ruf von Matthias, der mir gerade entgegen kam rüttelte mich etwas auf. Aber viel bekam ich von dem Stück nicht mit. Ich lief und wartete auf den Abzweig nach Büchenbach. Hier würde sich entscheiden, mit welcher Zeit ich wirklich ins Ziel komme. Ab dem Tunnel ging es gefühlt nur noch bergauf. Jeder Gartenschlauch, jede Wasserversorgung, ich nutzte alle Möglichkeiten zur Kühlung. Kurz vor einem Versorgungspunkt erspähte ich zwei Dixies und kam endlich zu meiner Pinkelpause. Obwohl ich nun ein paar Gram leichter war, ging ich die paar Meter zum Versorgungspunkt lieber. Bloß keine Kraft verschwenden. Mit Wasser und Cola gestärkt trabte ich weiter. Die km-Zeit war eine Katastrophe, aber egal. Insgesamt war ich noch einigermaßen gut in der Zeit und so langsam musste auch der Wendepunkt kommen und dann ging es ja nur noch bergab.

An den Versorgungspunkten nahm ich nun auch immer eine Cola, wobei das im Laufen eine deutlich größere Sauerei ist, als einen Becher Wasser mit einem Schwung zu Trinken und den überschwappenden Rest für die Kühlung zu nutzen. Ich lief und lief und lief und irgendwann ging es wirklich langsam bergab in Richtung Roth. Jetzt war es nicht mehr weit. Ich fühlte Mitleid für die mir entgegenkommenden Läufer und kämpfte mich durch Roth durch und fieberte dem Zieleinlauf entgegen. Für ein optimales Ziel-Foto entsorgte ich die Iso-Flasche und strich noch ein-/zweimal über meine Haare. Endlich sah ich den Anfang vom grünen Teppich. Direkt vor und hinter mir war niemand. Alles perfekt, um die Stadionrunde zu genießen. Kaum war ich im Stadion, blendete die Sonne voll und ich konnte kaum etwas erkennen. Meine jubelnde Frau entdeckte ich aber doch und war superglücklich. Jetzt riss ich noch einmal die Arme für ein perfektes Foto mit Zielzeit.

Das Foto von Zieleinlauf passt nicht einmal im Ansatz zu meinem fantastischen Gefühl und zeigt, dass die Anzeige trotz großem Abstand zu spät umgeschaltet wurde. Egal, die erste Langdistanz ist geschafft.

Florian habe ich auf der gesamten Strecke nicht wiedergesehen, obwohl er vor mir gestartet war und ein schneller Schwimmer ist. Die Zwischenzeiten zeigen, dass wir in etwa Lauf-km 16 zur gleichen Zeit absolviert haben. Da stand ich wohl schon ganz schön neben mir und habe nichts mehr registriert.

3,8 - 170 - 42 km; 210 Frauen und 1056 Männer im Ziel

  Pl Name            Verein         AK  Pl   swim  T1    bike    T2   run     gesamt
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   1 Anne Haug                      PRO      52:11 1:48 4:14:14 1:44 2:43:54   7:53:48
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   1 Patrick Lange   TEAM ERDINGER  PRO      47:28 1:40 3:50:32 1:11 2:38:30   7:19:19
 363 Lars Karow      Sisu Berlin    M45 44 1:15:45 4:20 5:04:08 1:24 3:47:21  10:12:57
 494 Florian Bläsche Sisu Berlin    M40 80 1:04:25 4:47 5:13:20 3:50 4:15:18  10:39:56
 DNF Matthias Scholz Sisu Berlin    M45    1:37:59 5:46 6:28:25 6:16   
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© TriGe Sisu Berlin; 17.8.2021