Ironman Frankreich in Nizza 22.06.2008

von Thomas Thiemer

 

Es ist nicht ganz einfach, einen interessanten und kurzweiligen Bericht über einen Wettkampf zu schreiben, von dessen Ergebnis man so sehr enttäuscht ist. Nachdem nun einige Zeit in's Land gestrichen ist, sollte dies aber gelingen... Nehmt Euch etwas Zeit, denn ich kann mich schwer kurz fassen :-)

Am Donnerstag sind wir ganz entspannt von SXF nach Nizza geflogen. Wir, das waren meine Mädels und unsere Freunde Christoph und Martina mit deren zwei Kindern und mein Radl, welches zum Glück unversehrt ankam.

Nachdem wir unser Hotel bezogen hatten, mäanderten wir erst mal zu Fuß durch die Altstadt von Nizza. ‚Nice' ist wahrlich eine Perle an der Cote d'Azur - wunderbare alte Häuser, mondäne Hotels, Restaurants und Bars an jeder Ecke und: die Promenade d'Anglais mit ihrem Mittelmeer vor der Nase.

Am nächsten Tag sind wir dann vormittags zum ‚Ironman-Village' gelaufen (jeder Weg ca. 40 Minuten). Es war hier inzwischen sehr heiß, nachdem auch in Südfrankreich Anfang Juni viel Regen niederkam und das Thermometer kühl blieb. Auszuhalten war es nur, da stets eine leichte Brise vom Meer kam, was zugleich einen erheblichen Wellengang bedeutete und somit keine guten Schwimmzeiten versprach. Mein Testschwimmen am Freitag geriet jedenfalls zum Geschaukel...

Die Expo war sehr nett angelegt (schattig!) und bot erquickliches Material an jeder Ecke. Mittags bin ich dann mal ca. 1,5 h das erste Stück der Radstrecke locker abgefahren.

Abends ging es nochmals zu Fuß in die Innenstadt, um uns mit einer Bekannten unserer Freunde zu treffen und mit ihr zu essen, da wir von ihr das Ferienhaus des nachfolgenden Urlaubes zur Verfügung gestellt bekamen.

Samstags habe ich mich dann hingelegt oder in der Bucht vor dem Hotel etwas geplanscht. Dabei fiel mir ein, dass ich mein Startnummernband daheim vergessen hatte, weshalb ich nochmals zur Expo einkaufen hin und zurück gejoggt bin. Nach den 30 Minuten war ich völlig "ausgeschwitzt".

Nachmittags dann wiederum mit dem Radl hin und einchecken und zurück gehen. Abendessen. Gut geschlafen.

Weckerklingeln um ca. 4:30 h, denn um 6:30 h war Start. Schon beim Hinlaufen bemerkte ich das ruhige Wasser und freute mich; Bianca hingegen erkannte schneller den Nachteil der fehlenden Brise... Die breite Startzone am steinigen Strand (Aua!) war in vermeintliche Leistungsklassen eingeteilt. Da die erste Boje nach ca. 1200 m war, zog sich aber alles schnell zusammen und es gab die in mehreren Rennberichten beschriebene Prügelei. Nach einem vollen Schlag auf's Auge und später auf die Nase versuchte ich zurück auszuteilen, traf aber leider nicht. Werde nie verstehen, wie man angesichts der Renndauer derart körperkontaktsuchend sein kann oder muss.

Beim Ausstieg aus dem Wasser dann die unerwartete Ernüchterung: die Beine fühlen sich beim Hochlaufen auf die Promenade sehr bleiern an, bin beim Wechsel nach 59 Min. merkwürdig außer Puste. Das bessert sich zwar etwas auf den ersten flachen Kilometern die Küste entlang, der mich im Training so erfreuende Druck stellt sich aber bis zum Ende der 180 km nicht ein. Das Profil stellt sich härter heraus als beim Blick auf die Karte vermutet. Dachte, nach dem Hauptanstieg von 21 km Länge (2-7 %, keine Flachstücke) ginge es bis auf ein paar unwesentliche Gegenanstiege fast nur eben oder bergab - Irrtum. Die drei "Cotes" tun nach mehr als 100 km richtig weh. Die Temperaturen waren schon früh so hoch, dass die Leute bereits nach 25 km Salzränder an den Hosen und Tops hatten. Wasser wurde wenn greifbar sofort über Beine, Rücken und in den Helm geschüttet. Habe am Ende des Hauptberges meine letzte halbvolle Flasche 100 m vor der Verpflegung weggeschmissen, die sich dann als Eigenverpflegung herausstellte... sch... zu Trinken dann erst wieder ca. eine halbe Stunde später.

Die Landschaft ist zwar typisch mediterran karg, aber wunderschön. Die Strecke führt durch das Hinterland der Cote d´Azur, die sog. frz. Seealpen, und dabei auch immer wieder durch mittelalterlich anmutende Bergdörfer mit schmalen Straßen. Der Asphalt ist fast ausnahmslos gut und die auch vorhandenen langen Abfahrten sehr, sehr schnell und gut zu fahren. Die ersten und mithin auch letzten 10 km sind weniger schön, führen sie doch auf einer schlechteren Straße durch ein Industrieviertel. Windschattenfahren war aufgrund des selektiven Charakters nicht wirklich ein Problem, wenn auch manchmal dennoch Packs vorbeirauschten, gerade zum Ende hin.

Die Laufstrecke führt dann 5,3 km die Promenade d'Anglais hoch bis zum Wendepunkt am Flughafen, so dass die Runde viermal zu laufen war. Da die Küste hier einen Bogen ins Landesinnere schlägt sieht oder erahnt man jeweils den Wendepunkt am anderen Ende, was je nach Verfassung mental positiv oder verheerend wirken kann.

Ich war nach dem Velofahren (5:39 h) unerwartet platt. Dennoch war das Anlaufen nicht schlecht - für 2 km. Dann war schon der Ofen aus. Wie es weiterlief, kann man sich anhand der Wanderzeit von 5:00 h ausmalen. Laufen, Gehen, Joggen, Sitzen, Laufen, Liegen, Gehen... usw. Ohne meine Mädels und Freunde hätte ich wohl nicht gefinisht.

Auf der gesamten Laufstrecke war nicht ein Meter Schatten, kein Lüftchen. Am Flughafen versuchten die Läufer den ca. 30 cm breiten "gelöcherten Schatten" eines Maschendrahtzaunes zu nutzen. Die Rede war von 36 Grad im Schatten und 40-50 Grad in der Sonne. Habe mich an jeder Station mit einem Schlauch komplett nass spritzen lassen, nach weniger als 2 km bei der nächsten Station war man schon wieder knochentrocken. Christoph holte sich jedenfalls einen Sonnenbrand durch's T-Shirt, obwohl er viel unter Palmen stand, und sein Sohn einen Sonnenstich mit Fieber. Nach einer wieder besseren vierten Runde und einem gleichwohl emotionalen Zieleinlauf gab's eine Massage und ein Erdinger, Melone u. a. Leckereien.

Man muss sagen, dass Helfer und Zuschauer wahnsinnig engagiert und motivierend waren, wenn auch nicht in der Quantität wie Roth oder wohl Frankfurt.

Es ist schwer die Verhältnisse zu schildern ohne zu sehr nach Ausrede oder Jammern zu klingen - waren ja dennoch viele sauschnell unterwegs, vor allem der Sieger Zamora (Hattrick) mit 8:34 h bei einer unglaublichen Laufzeit von 2:45 h! Laurent Jalabert (ja genau, der Ex-Radprofi) war nach 9:14 h im Ziel (Radzeit 4:45 h!).

306 Teilnehmer haben ein DNF stehen und 623. von 2261 klingt auch nicht richtig schlecht, lässt vielleicht auch die Anforderungen des IM France erahnen, aber ändert nichts an der Zeit, und da hatte ich andere Ziele. So viele Monate heiß ersehnten Trainings nach zwei Jahren der beruflichen Veränderung, zwei Traingslager (Andalusien im Frühjahr, Bayern in der 3. Woche vor Nizza), Geld und verschenkte Zeit mit der Familie investiert... und dann das! Woran mag es gelegen haben? Keine Ahnung. Sicherlich hat das ungewohnte, heftige Klima und Radprofil sowie das unvermeidliche Rumlatschen in der Hitze die Tage vorher seinen Anteil, vielleicht ist es aber auch nur Unvermögen, zumindest über die Langdistanz. Das Training lief jedenfalls super, so dass ich z. B. zwei Wochen vorher in Bayern 5 h Rad bei 2500 Höhenmetern und anschließend 1,5 h Lauf bei etlichen Höhenmetern ohne jedwede Probleme absolvieren konnte. Umso ratloser und frustrierter war ich die Tage danach, wollte nichts von Sport sehen oder hören...

Die anschließenden zwei Wochen gemeinsamen Urlaubes im Ferienhaus bei LeLevandou (nahe St.Tropez) entschädigten aber wieder. Beim Toben mit den Kindern im Meer, einem Rosé auf der abendlichen Terrasse mit Bianca und Freunden u.ä. merkt man wieder, was wirklich wichtig ist im Leben... Und nach einer Woche mochte ich auch wieder auf´s Radel und die Pässe im Hinterland befahren...:-)

Der Weg ist das Ziel!

Danke nochmals an Bianca und Louisa für ihre fantastische Unterstützung die ganzen Monate, Christoph, Martina & Kids; Gunnar, Hartwig, Julia und Johannes für die schönen gemeinsamen Trainingsstunden u.v.m., der Familie und allen Freunden, die einfach da sind.


© TriGe Sisu Berlin; 12.7.2008