Training auf der freien Rolle

Erfahrungsbericht eines Anfängers

von Dirk Bettge

Die sogenannte freie Rolle ist vermutlich das Urgestein des Indoor-Radtrainings. Die Grund-Konstruktion im ziemlich simpel: Rad draufstellen und los. Das Hinterrad läuft zwischen zwei walzenförmigen Rollen, die über ein oder zwei Gummiseile die dritte Rolle antreiben, auf der das Vorderrad fährt und lenkt. Die drei Rollen sind in einem Rahmen gelagert, dessen Länge sich verstellen lässt. Das war's schon. Nichts hält das Rad aufrecht und in der Spur – dafür ist der Fahrer zuständig. Ist ja wie draußen? Eben!

Bei den heutzutage meistgenutzten Trainingsgeräten (die Briten nennen das "Turbo-Trainer") wird das Fahrrad am Hinterrad fest eingespannt oder das Hinterrad komplett durch den Trainer ersetzt (Direktantrieb) – oder man nutzt gleich ein eigenständiges Fahrrad-Ergometer. Alle diese Geräte haben die Eigenschaft, dass sie fest stehen und auf ihnen das Gleichgewicht nicht aktiv gehalten werden muss. Es reicht, kräftig reinzulatschen, dazu muss man nicht wirklich Radfahren können (wie auf manchen dieser neckischen Werbe-Videos). Der Vorteil ist, dass nichts schiefgehen kann, Wiegetritt und Sprint möglich sind und man nebenbei noch etwas anderes tun kann. Der Fahrwiderstand aktueller Geräte kann Computer-gesteuert werden und sie sind vernetzbar ("Smart-Trainer"), so dass man zusammen mit anderen in virtuellen Landschaften fahren kann. Letzteres erfreut sich aus naheliegenden Gründen gerade jetzt enormer Beliebtheit – wozu also noch analog und unvernetzt freie Rolle fahren?

Nach jahrelanger guter Erfahrung mit einem Ergometer ("Wattbike Trainer") war einfach das Interesse da, etwas neues auszuprobieren. Zwar kann man sich auf dem Ergometer gefahrlos richtig austoben, wenn man möchte, aber das Balancieren auf dem Rad fällt komplett weg. Draußen an der frischen Luft hingegen muss man Kraft und Balance in Einklang bringen, um effizient fahren zu können. Die freie Rolle stellt sozusagen ein winziges Stück Straße dar, das zudem recht schmal ist. Das Einrichten des Geräts ist einfach: Halb ausklappen, Radstand einstellen, komplett Ausklappen (dabei spannen sich die Gummiseile), Rad draufstellen – fertig.

Die Achse der vorderen Rolle sollte ca. einen Zentimeter vor der Achse des Vorderrads liegen (erschwert ein Runterfahren nach vorn). Das hier verwendete Gerät ("Elite Quick-Motion") hat zusätzlich einen (manuell) einstellbaren Magnetwiderstand (3 Stufen), außerdem hat es einen "schwimmenden" Rahmen, d.h. der Rahmen mit den 3 Rollen kann sich auf beweglichen Füßen etwas nach vor und nach hinten bewegen. Dadurch wird die Gefahr, bei zu heftigen Bewegungen nach vorn oder hinten runterzufahren, deutlich verringert. Dank der Magnetbremse können auch Intervalle mit hohen Leistungen gefahren werden. Einfachere Rollen ohne Magnetbremse sind bezüglich Leistung sehr begrenzt. Mit Magnetbremse kann man den Reifendruck hoch einstellen (7 bis 8 bar), das schont die Reifen.

Die ersten Minuten auf der freien Rolle sind tatsächlich nicht einfach. Sehr hilfreich ist ein fester Gegenstand, an dem man sich festhalten kann, so dass man sicher "ablegen" und wieder "anlegen" kann. In diesem Fall ist dies ein großer Schraubstock auf der Werkbank. Für erste Versuche sind Schuhe ohne Platten sinnvoll. Ganz am Anfang kommt es einem einfach nur gefährlich vor, und man hat den Eindruck, jeden Augenblick seitlich anzuschlagen und abzukippen. Aber schon nach ein paar Minuten wird es besser – man stellt fest, dass man vor allem locker bleiben und die Lenkbewegungen auf ein Minimum reduzieren muss, am besten nur denken. Nach einer Stunde oder so kann man es mit Radschuhen wagen. Sobald der initiale Angstschweiß getrocknet ist, stellt man in den weiteren Einheiten fest, dass die Sache eigentlich recht einfach ist und sich sogar natürlich anfühlt – es ist immerhin das gewohnte Rennrad, auf dem man sitzt, mit der gewohnten Sitzposition.

Geschaltet wird wie gewohnt am Rad selbst. Je schneller sich die Räder drehen, desto stabiler fährt das Rad auf den Rollen. Mit zunehmender Übung kann man das alles stärker variieren. Man lernt, sehr sauber zu fahren, geschmeidig zu treten und nicht am Lenker zu zerren – ich glaube, dass das auch für die Straße gut ist. Die Zeit vergeht dabei enorm schnell, weil der Geist auch gefordert ist. Einzig Wiegetritt ist wirklich anspruchsvoll, da taste ich mich noch ran oder steige zeitweise aufs Ergometer um. Im direkten Vergleich fühlt sich das Ergometer an, als wenn man auf einem Betonklotz mit Kurbeln sitzt. Dabei Musik hören macht auch Spaß, am besten LAUT.

 

Links

Einige Links zum Thema freie Rolle:

 


© TriGe Sisu Berlin; 18.11.2020