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Erfahrungsbericht Tubeless-Konvertierung

von Dirk Bettge

Das Thema "tubeless" geistert mittlerweile seit etlichen Jahren durch die Fahrradwelt. Während ich mich beim Autofahren zeitlebens nicht erinnern kann, dass da noch jemand Schläuche in die Reifen stecken würde, so ist beim Radfahren der eingelegte Schlauch bis heute Standard. Warum sollte man das ändern? Ganz einfach – was nicht da ist, kann auch nicht kaputt gehen.

Besonders unangenehm sind beim Radfahren sog. Snakebites, also Durchschläge beim unerwarteten Überfahren z.B. von Steinen oder Kanten. Dabei wird der Reifen komplett zusammengedrückt und der Schlauch zwischen Felge und Hindernis zerquetscht. Dabei werden mindestens auf einer Seite des Schlauchs 2 übereinanderliegende Löcher reingestanzt, durch die binnen kürzester Teit die Luft entweicht. Beim Rennrad passiert das gern an hochstehenden Gullydeckeln, beim MTB an größeren Geröllsteinen. Da der Schlauch elastisch gedehnt ist, weiten sich die Löcher sofort und lassen die Luft raus.


Löcher im Schlauch durch sog. "Snakebite", links ungespannt, rechts unter Dehnung.

Lästig sind aber auch die ganz normalen Plattfüße, die meist durch spitze Gegenstände wie Dornen oder Glassplitter verursacht werden. All das wollen wir nicht haben, im Wettkampf schon gar nicht. Kann man das alles verhindern? Im Prinzip ja – indem man den Schlauch weglässt und durch ein Dichtmittel ersetzt. Das ganze nennt man dann "tubeless" (schlauchlos), logisch. Allerdings reicht es nicht, einfach den Schlauch wegzulassen, sondern alle beteiligten Komponenten müssen dafür ausgelegt sein.

Wenn man das beim Auto (und auch beim Motorrad) schon ewig macht, was ist dann Problem beim Fahrrad? Beim Fahrrad ist der Reifen insgesamt viel dünner und damit gasdurchlässiger, das Verhältnis zwischen Volumen und Gesamtlänge der abdichtenden Kanten ist viel geringer und zumindest beim Rennrad ist der Druck deutlich höher. Letzteres ist beim MTB schonmal nicht der Fall, und der Reifen hat auch viel mehr Volumen. Deshalb gibt es tubeless beim MTB schon länger als beim Rennrad. Ohne die Gefahr von Snakebites kann mann generell mit weniger Druck fahren, was besonders im Gelände Vorteile hat.

Angesichts dessen, dass ich die MTB-Laufräder nach einigen Jahren ruppigen Umgangs ohnehin austauschen wollte, habe ich mich entschlossen, den Schritt auf tubeless zu wagen. Die Felgen müssen die richtige Form des Felgenbetts haben, die mittlerweile de facto genormt ist: eine tiefe Mittelrille für die einfache Reifen-Montage und flache Seitenbereiche, auf denen die Reifenwulst formschlüssig abdichtet (s. Literatur-Links unten auf dieser Seite). Ein luftdichtes Felgenband wird flächig verklebt, damit die Luft nicht durch die Speichenlöcher entweicht. Die Ventile werden einzeln in die Felgen eingesetzt und luftdicht verschraubt. Der Reifen muss präzise gefertigt sein, damit er passgenau auf der Felge sitzt, einen glatten Wulst haben und rundum eine Gummierung, die ihn auch ohne Schlauch luftdicht macht. Hinzu kommt am Ende eine sog. "Dichtmilch", die in den Reifen geschüttet wird und Löcher bis zu einer gewissen Größe abdichten kann.

Im vorliegenden Fall fiel die Wahl der Felgen auf Alu-XC-Felgen von DT Swiss, XR391 vorn (25 mm Maulweite) und XR361 hinten (22,5 mm Maulweite). Diese Felgen sind leicht und präzise gefertigt, das ganze wurde verschraubt mit jeweils 32 DT Speichen 2,0-1,8-2,0 mm und DT 240 Naben (Radsatz gut 800 €). Als Reifen kommen aktuelle Schwalbe Racing Ray (vorn) und Racing Ralph (hinten) im Format 60-622 zum Einsatz, in der leichtesten Version mit den schicken transparenten Flanken, die richtig klassisch aussehen und gerade wieder modern sind. Im Gegensatz zu den älteren Versionen ("tubeless ready", TLR) sind die Seitenflanken der aktuellen Reifen ("tubless easy", TLE) glatt und dünn gummiert, vermutlich damit sie schlauchlos luftdicht sind. Felgenband und Ventile sind ebenfalls von DT Swiss, dazu Dichtmilch von Finishline. Andere Produkte mögen ebenfalls gut sein, das kann ich nicht beurteilen, allerdings verhalten sich die Fertigungstoleranzen meiner Erfahrung nach umgekehrt proportional zum Preis.

Über die tubeless-Montage liest und hört man ständig Schauergeschichten, besonders über die Reifenmontage, das erstmalige Aufpumpen und die initiale Dichtheit – nichts davon ist eingetreten, obwohl dies mein erster Versuch mit dieser Technik ist. Erst wird das Felgenband eingeklebt: es sollte eher etwas breiter sein, als das Innenmaß der Felge, darf also gern etwas die Seitenwände raufstehen. Es wird unter etwas Spannung eingezogen und dann überall festgedrückt. Dann werden die Ventile vom Felgenband aus durchgestochen und von Hand festgeschraubt, so das sich die Gummidichtung festzieht.

Die Wülste der Reifen habe ich jeweils direkt vor der Montage mit Spüli-Wasser eingeseift (etwas konzentrierter als beim Abwasch). Das macht die Montage leicht, und außerdem reicht anschließend die normale Standpumpe, um den Reifen aufzupumpen, wobei die Wülste in die Flanken der Felgen einschnappen. Das hat jeweils beim ersten Versuch geklappt. Die tubeless-Felgenform mit ausgepägter Mittelrille macht die Reifenmontage generell leichter als gewohnt.

Für mich erstaunlicherweise waren damit beide Laufräder auf Anhieb dicht – also ohne Dichtmilch. Ich denke, so sollte es sein, beim Auto wird das immer so gemacht. Aber die Dichtmilch soll ja im Betrieb Durchstiche abdichten. Also wird der Reifen auf einer Seite wieder teilweise runtergehebelt, ca. 100 ml Dichtmilch einfach reingeschüttet, dann wieder montiert und wieder aufgepumpt, das verteilt sich dann beim Fahren. Zum Wieder-Aufpumpen sollte die gelöste Stelle nicht unten aufstehen, sonst bekommt man den Reifen nicht so einfach wieder dicht, also etwas drehen oder hinlegen. Das war's – am nächsten Tag war immer noch alles unverändert und dicht. Die Finishline-Dichtmilch ist Wasser-basiert, härtet nicht aus und lässt sich einfach abwischen, die sollte im Reifen eine ganze Weile flüssig bleiben, sieht aus wie Smoothie ;-)

Fazit: Die Kombination aus DT Swiss-Felge und Schwalbe-Reifen scheint sehr sauber zu passen. Die Reifenmontage ist relativ einfach und trotzdem ist die Kombi ohne Dichtmilch dicht, es gibt auch keinerlei Unwucht. Der Druck-Rechner sagt bei 60 mm-Reifen, dass im Gelände ca. 1,0 bar am besten rollt. Klar, die Reifen sind breiter und die Felgen auch, aber 1,0 bar? Ich pumpe erstmal 1,5 bar vorn (wie vorher) und hinten (vorher 1,8 bar). Die erste Ausfahrt hat gezeigt, dass dieser Druck völlig ausreicht, die Reifen fühlen sich nicht besonders weich an und rollen super. Ich denke, man kann noch etwas weiter runter gehen, wir werden sehen (1,2/1,5 bar fühlen sich gut an). Beim Durchschlagen gibt's zwar keine Snakebites mehr, aber die Felge kann trotzdem beschädigt werden. Ach so – einen Ersatzschlauch sollte man für alle Fälle trotzdem dabei haben.

Links

Einige Links zum Thema Tubeless:

 


© TriGe Sisu Berlin; 2.11.2020